Star-WM in Split vom 05.09. bis 13.09.2025

|   Regatten

Zwei 'naive' CYC-Segler machen sich einen Traum wahr

Die spontane Idee

Dezember 2024: In einem Facebook-Kanal für Starbootsegler taucht die Aufforderung auf, sich für die 2025 Star World Championship in Split (Kroatien) anzumelden. Vermutlich soll der Hinweis nur richtigen Profis angezeigt werden, aber der Facebook-Algorithmus ist wohl ungenau, deshalb ploppt er auch bei mir auf. Erstaunlich dabei: Man muss sich nicht vorher über viele Regatten qualifizieren, man kann sich frei anmelden. Der Samen für eine Wahnsinns-Idee ist gelegt.

Unsere Ausgangslage: Unerfahren, aber motiviert

Ich segle mein Leben lang Starboot, aber meine Regattaerfahrung ist bis dato begrenzt auf das Heimatrevier Chiemsee. Außer der IDM 2014 und dem jährlichen Maibock gibt es keine Erfahrung bei internationalen Starboot-Regatten. Mein Sohn Lorenz ist zu diesem Zeitpunkt gerade mal 16 Jahre alt und ist seit gut 5 Jahren Stamm-Vorschoter im Star. Gewichtstechnisch erreichen wir gerade mal 150 kg, 200+ sind normal.

Die Entscheidung steht: Wir machen mit!

Beim Abendessen unterbreite ich die Idee meiner Crew und bin auf ein pubertäres "kein Bock auf Blamage" vorbereitet. Aber das Gegenteil ist der Fall: Ja klar, boah geile Idee, machen wir. Danach geht’s gleich an die Umsetzung. Anmeldung, Startgeld überwiesen, Ferienwohnung für 5. bis 14. September gebucht. Es gibt kein realistisches Zurück mehr. Unser Ziel: Von damals geplanten 100 Teilnehmern mindestens Nr. 99. Aber zunächst geht der Vorschoter für sechs Monate zum Schüleraustausch nach Los Angeles. Gemeinsames Training also erst zwei Monate vor dem Event möglich.

Maibock-Regatta mit prominenter Unterstützung

Für die Maibock-Regatta, gleichzeitig die Meisterschaft des 17. Distrikts vom 1. bis 4. Mai, findet sich kein Geringerer als unser Präsident Wolfgang Böttger als Vorschoter. Danke, Wolfi, auch für die weitere Unterstützung beim kampffähig machen unseres doch nicht mehr ganz jungen Bootes.

Erste Regattaprobe am Tegernsee

Das erste Regattaprobe konnten Lorenz und ich dann Anfang Juli beim Silber Star am Tegernsee absolvieren. Zwölfter von dreizehn war jetzt nicht das Ergebnis, mit dem man hoffnungsvoll nach Split fahren könnte…

Training mit der Legende Frida Kleen

Zwei Wochen vor dem Beginn der WM fuhren wir nach Riva am Gardasee zum Starboot-Training mit Starboot-Legende Fritjof "Frida" Kleen. Frida "peitschte" uns bei teilweise 7 Bft. mit Manövertraining über den Gardasee. Fazit nach zwei Tagen: ein abgerissener Großschotblock und mehr über Starbootsegeln gelernt als in zwanzig Jahren davor. Danke Frida und Glückwunsch zum 3. WM-Titel in Split!

Ankunft in Split und erste Eindrücke

Am Freitag, 5. September war das lange Warten zu Ende. Morgens um 6 Uhr Start mit dem Gespann in Richtung Split, das wir nachmittags gegen 16 Uhr ohne Zwischenfälle erreichten. Bei der Einfahrt ins Gelände des JK Mornar Sailing Club wird’s richtig eng. Starboot an Starboot stehen teils noch verpackt, teils schon aufgebaut auf dem Gelände. Um 17 Uhr beginnt das Jahres-Meeting der ISCYRA (International Star Class Yacht Racing Association), bei der ich die Ehre habe, als Secretary der Starflotte CBM Chiemsee Bayrisches Meer teilnehmen zu dürfen. Danach übernehmen wir erst mal unsere Ferienwohnung nur 800 m vom Club und direkt über dem Strand. Bootsaufbau ist für Samstag geplant.

Ein starkes CYC-Team vor Ort

Am Abend treffen wir uns mit unserem Flottenkapitän und Clubkameraden Daniel Fritz im Restaurant Skipper direkt über dem Club. Wer mal nach Split kommt, sollte unbedingt dort essen gehen. Außer uns und Daniel Fritz nimmt vom CYC noch Tobias Schott mit Peter Linke an der WM teil. Wenn ich es richtig überblicke, ist der CYC bzw. die Starflotte CBM Chiemsee Bayrisches Meer der mit 3 % der Teilnehmer am stärksten auf der WM vertretene Segelclub.

Vorbereitung und Training

Samstag dann erst mal den Hafen erkundet. Wo Registrierung, wo Wiegen, wo Segel vermessen, wo Essen und Trinken. Bei der Registrierung erhalten wir unsere Bugnummer 055, wir werden gewogen: 90 kg + 66 kg – keine Mannschaft wiegt weniger. Unser Platz zum Boot aufbauen ist weit hinten, wir sind da aber nicht allein, es geht recht eng her. Am frühen Nachmittag sind wir mit dem Aufbau fertig und können einkranen. Die Hafenorganisation ist perfekt.

Erstes Kräftemessen: Trainingsregatta

Für Sonntag 13:00 ist eine Trainingsregatta angesagt. So segeln wir gegen halb zwölf aus dem Hafen ins Regattagebiet Alpha etwa 5 Meilen südwestlich des Hafens. Unser erster Start auf der 1 km langen Startlinie gelingt uns einigermaßen und wir liegen geschätzt sogar im Mittelfeld. Nach der ersten Leetonne wundern wir uns, warum das Feld auf einmal nur noch ein Drittel der Boote ist. Die offizielle Trainingsregatta ging nur einmal up and down. Egal, das Training schadet uns nicht.

Eröffnungsfeier mit Gänsehautmomenten

Am Abend dann die offizielle Eröffnungsveranstaltung im Garten der Galerija Mestrovic, einem monumentalen Gebäude mit ehrfurchterweckenden Aufgangstreppen. Begrüßung aller Teilnehmer durch Handschlag des ISCYRA-Präsidenten und Seglerlegende Paul Cayard. Smalltalk bei Sekt und Häppchen mit bekannten und neuen Gesichtern. Dann der Einlauf der Fahnenträger der zwanzig teilnehmenden Nationen mit Musikuntermalung – Gänsehautmoment. Dann etliche Reden und Ehrengäste. Eine mitreißende Veranstaltung. Zu später Stunde geht’s es dann nach Hause, für uns nur aufs Nachbargrundstück, dort ist unsere Ferienwohnung.

Montag: Es wird ernst

Wieder gegen halb zwölf Auslaufen ins Regattagebiet Alpha. Start 13:00. Wir versuchen es im Drittel Richtung Pinend. Trotz der langen Startlinie von einem Kilometer ist die Startlinie gut zu treffen. Für alle Teilnehmer ist der Regattakompass Vakaros Atlas 2 vorgeschrieben. Sogar die Montageposition an Bord ist mit 2,5 cm Toleranz vorgegeben. Das System erhält von der Wettfahrtleitung die exakte GPS-Position von Startschiff und Pinend und damit der Startlinie, die auf dem Display angezeigt wird mit der Zeitangabe bis zum Start. Dazu die exakte Entfernung zur Linie und die Zeit, die bei aktueller Geschwindigkeit bis zur Linie noch benötigt wird. Man kann, zumindest theoretisch, punktgenau über die Linie.

Das System sendet die genaue Schiffsposition zurück an die Wettfahrtleitung und identifiziert die Frühstarter. Der erfährt auf dem Display und mit Piepton von seinem OCS und kann direkt zurück hinter die Linie. Während der gesamten WM gab es daher keinen einzigen Gesamtrückruf, trotz 15 bis 20 Frühstartern in jeder Wettfahrt. Es dauerte maximal 50 Sekunden, bis der letzte Frühstarter wieder hinter der Linie war. Nicht unbedingt günstig in der Anschaffung, aber ein echter Fortschritt für solche großen Regatten.

Unser Start passte gut, der Wind mit leichten 3 Bft. war für unser Mannschaftsgewicht gut segelbar. Auf der Kreuz lagen wir ganz gut, aber auf Vorwindkurs fielen wir jedes Mal spürbar zurück. Unsere erste Wettfahrt beendeten wir mit Platz 83, für uns deutlich besser als unsere Befürchtungen. Nach dem Einlaufen in den Hafen gab es, wie bei jeder Wettfahrt in der Woche, herzhaftes Essen mit Bier für die Segler. Ein Danke an die engagierten Mitglieder des JK Mornar Sailing Club.

Dienstag: Legendentreffen auf Kollisionskurs

Dienstag, heute geht es bei südlicherem Wind ins Regattagebiet Beta, südöstlich der Marina. Wieder ein leichter 3er-Wind, unser Start geht punktgenau über die Linie und wir haben schnell freien Wind. Der Weg zur Luvtonne sind rund vier Kilometer und wir scheinen recht weit vorne zu segeln. Etwa 500 m vor der Tonne sind wir auf Backbordbug unterwegs. Von links kommt, klar auf Steuerbordbug, ein Star mit goldenem Stern POL 8602 – Mateusz Kusznierewicz/Bruno Prada, zwei Legenden. Klar auf Kollisionskurs.

Die zwei brüllen auf einmal, wir fangen an zu zweifeln: Haben wir mit Backbordbug wirklich Vorfahrt?! Wir zweifeln immer mehr und wenden völlig verunsichert weg. Hinterher wird uns klar, dass wir uns haben bluffen lassen. Sei’s drum, die kämpfen um die vorderen Ränge, wir dackeln ja hinten herum. Unser Trost – wir sind kurz vor der Luvtonne gleichauf mit den mehrfachen Weltmeistern. Das will ja was heißen. Vorwind verlieren wir wieder, auf der zweiten Kreuz holen wir wieder ein bisschen auf und beenden die Wettfahrt mit Platz 71 von 102.

Mittwoch: Warten, Wind und französische Hilfe

Am Mittwoch ist schlechtes Wetter und Wind bis 30 kn. Die Wettfahrtleitung wartet bis 14:30 Uhr und bläst dann für den Tag ab. Wir verbringen die Wartezeit mit Reparaturversuchen. Unsere selbstgebaute Halterung für den Vakaros hat durch etliche Berührungen Schaden genommen.

Auf der Suche nach einem Epoxi-Reparaturkit fragen wir zwei französische Teilnehmer. Wir schildern unser Problem und erhalten eine völlig unerwartete Hilfe. Philippe Pedronno, Präsident des Pariser Segelclubs, baut uns innerhalb einer Dreiviertelstunde aus Plexiglas eine stabile und großartig aussehende Halterung für den Vakaros. Dazu werden wir von seinem Vorschoter, Philippe Ergand, zur Christmas Regatta nach Nizza eingeladen. Starbootsegler-Kameradschaft ist schon etwas ganz Besonderes.

Donnerstag: Kamera an Bord und kurze Berühmtheit

Donnerstag sticht der Planet am Vormittag. Als wir das Boot bereit machen, kommt ein Mitarbeiter von Croatel und fragt, ob wir eine Kamera mit an Bord nehmen würden. Klar, machen wir. Dass wir am Ende des Tages eine kurze Berühmtheit haben würden, ahnten wir in diesem Moment noch nicht.

Wenig Wind, daher segeln wir schon um 11 Uhr Richtung Regattagebiet Alpha. Um 13 Uhr ist dann Wind, ein ordentlicher 4er mit Welle. Wir merken schon vor dem Start, das wird bei unserem Gewicht schwierig. Unser Start geht ziemlich schief, wir hängen gefühlte Ewigkeiten im Windschatten der anderen. Auf dem Weg zur Luvtonne kämpfen wir uns wieder leicht vor, was wir vor dem Wind wieder fast komplett abgeben. In einem Moment halte ich den Kopf zu hoch und eine Böe reißt mir die Mütze vom Kopf. Das wurde von der Kamera festgehalten und war der Kommentatorin von Croatel einen kleinen Aufschrei wert. So kam es zum kurzen Moment des Ruhms.

Ein cleveres Leetonnenmanöver getreu dem Motto "Mut zur Lücke, die nicht da ist" zieht uns ein paar Plätze vor und wir beenden die Wettfahrt mit Platz 87. Es gibt an dem Nachmittag noch eine zweite Wettfahrt, schließlich will die ausgefallene Mittwochswettfahrt aufgeholt werden. Unser Start ist eine Katastrophe, der Rest der Wettfahrt dann auch. Der einzige Trost: Wir sind nicht Letzter, sondern schaffen noch irgendwie Platz 93. Die Stimmung an Bord ist ziemlich unten, die Schuld liegt eindeutig am Steuermann, der beim Start richtig gepatzt hat.

Abgeschleppt – aber nicht ruiniert

Als ob der Tag nicht schon bescheiden genug gewesen wäre: Am Morgen war die Zufahrt zum reservierten Parkplatz für die WM-Teilnehmer zugeparkt und ich musste hinter anderen am Straßenrand parken. Als wir am Spätnachmittag zum Auto kamen, war es einfach weg. Als ich da so stand, sah ich ein Straßenschild, das ich am Morgen wohl übersehen hatte: Parkverbot! Ach herrje, das wird die Bordkasse sprengen.

Zurück in den Club und dort herumgefragt, wo man wohl sein Auto wiederbekommen kann. Ein Mitglied organisiert für uns, wo unser Auto steht und das Taxi, mit dem wir dort hinkommen. Überraschung: Abgeschleppt werden ist in Split echt günstig: 60 € Abschlepper + 15 € Bußgeld. Die Bordkasse atmet spürbar auf.

Freitag: Delphinbesuch und Großschot-Drama

Für Freitag legt die Wettfahrtleitung den Start auf 14 Uhr, vorher ist kein Wind zu erwarten. Wir machen uns um 12 Uhr auf den Weg nach Alpha. Gegen 13 Uhr, gut eine Meile vor dem Startgebiet, sehe ich einige Meter vor dem Bug etwas Größeres an der Wasseroberfläche. Ein Baum? Das Ding bewegt sich, taucht ab und wieder auf. Wir sind auf einmal von drei Delphinen umgeben, die mit uns spielen. Direkt am Schiff tauchen sie auf, lassen sich überfahren und tauchen hinten wieder auf. Ein absoluter Traummoment, der allein die ganze Reise wert ist.

Am Start haben wir wieder Wind wie am Donnerstag, für uns also ein bisschen viel. Der Start haut dieses Mal relativ gut hin, könnte aber besser sein. Wir liegen, immer für unsere Verhältnisse, gut im Feld. An der zweiten Luvtonne sind gut 30/40 Schiffe hinter uns. Wir fahren um die Ablauftonne, gehen auf Vorwindkurs, Mast nach vorne und den Großbaum auf Backbord raus.

Dann muss ich tatenlos zusehen, wie die doppelte Großschot aus der Führung und den Umlenkrollen im Cockpit ausrauscht, durch die Luft schlängelnd im Großbaum verschwindet und ganz hinten wieder herausschlängelt. Der Sicherungsknoten am Ende der Großschot war aufgegangen. Es gab nichts mehr, mit dem man den Großbaum halten konnte. So eine Schxxxe. Zum Glück hing die Großschot noch in der Umlenkrolle am Heck und war nicht komplett weg. Also Schiff 180 Grad zurück in den Wind gedreht, bei ordentlich Welle nach hinten raus klettern und Großschot einsammeln. Dann mühselig durch die vorderen Umlenkrollen am Großbaum durchfädeln und wieder im Cockpit zu den Klemmen führen. Die Übersetzung ist gerade noch ein Drittel des Normalen, aber für Vorwind in Richtung Ziel muss es reichen. Gut 30 Boote sind an uns vorbei, niedergeschlagen fahren wir auf Platz 91 durchs Ziel. Ok, wir waren schon mal schlechter…

Samstag: Letzte Wettfahrt und der Abschied

Samstag, letzte Wettfahrt. Es ist schon fast Routine: Raussegeln zum Regattagebiet Alpha, Start (ja, ging so), mit ordentlich Welle zur Luvtonne, runter zum Gate, rauf zur Tonne und runter ins Ziel. Platz 83, mehr war für uns nicht drin. Zurück im Hafen ist Gedrängel, jeder will so schnell wie möglich raus und Schiff abbauen. Es dauert eine Weile, bis wir ausgekrant sind und abbauen können. Es wird spät und wir müssen auf die Teilnahme an der Siegerehrung verzichten. Na ja, es gab für uns ja ohnehin für Gesamtwertung 93 von 102 keinen Preis. Dafür steht unser Boot abreisefertig da und wir können am Sonntagmorgen planmäßig zuerst zum Chiemsee Boot abstellen und gleich danach Richtung Ulm fahren. Der Vorschoter muss am Montagmorgen wieder zur Schule und hat eine Menge Erlebtes zu erzählen.

Ein naiver Traum, der Realität wurde

Wir hatten ganz naiv eine Idee, einen Traum: DABEISEIN IST ALLES.
Als doppeltes Leichtgewichtsteam (Erfahrung und Gewicht), mit dem drittältesten Schiff auf dieser WM und dem offensichtlich jüngsten WM-Vorschoter in der Geschichte der ISCYRA (1946 gab es einen 15-jährigen Steuermann) sind wir nicht auf Platz 99 gesegelt. Also mehr erreicht, als wir uns in unserer Naivität vorgestellt haben.

In 2026 geht’s dann, wieder im doppelten Sinn, nicht mehr ganz so leichtgewichtig – nach dem Maibock im CYC zur IDM an den Bodensee, zur Distriktmeisterschaft an den Balaton und zur Europameisterschaft nach Holland. 2027 dann wieder zur WM nach Neapel, über das Ziel da denken wir noch nach.

Harald Leissl

Fotos: Martina Orsini